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Teilnehmer von Bildungsmaßnahmen

Die Auswahl der Teilnehmer von Bildungsmaßnahmen, scheint theoretisch ein recht simples Konfliktfeld. Die Arbeitgeber sollten daran interessiert sein den Kreis der Teilnehmer auf das ökonomisch erforderliche Maß zu begrenzen, die Gewerkschaften sollten daran interessiert sein den Kreis möglichst groß, aber tunlichst auf die eigenen Mitglieder begrenzt zu gestalten. Zum Teil werden diese Erwartungen auch erfüllt, jedoch ist der Komplex etwas diffiziler. Ein Ausschluß nicht organisierter Arbeitnehmer von tarifären Leistungen, ist in Deutschland nicht statthaft. Das Interesse, den Kreis der $\gg$Bildungsbegünstigten$\ll$ möglichst weit auszudehnen ist zwar vorhanden, daneben werden jedoch eine Reihe von nicht im unmittelbaren Interesse der Organisierten begründete Ziele angestrebt. Das wichtigste, ist eine unter den Titel $\gg$soziale Verantwortung$\ll$ und $\gg$Solidarität$\ll$ herausgestellten Randgruppenförderung: "Ziel muß es sein, benachteiligte Gruppen unter den Beschäftigten besonders zu fördern: un- und angelernte Arbeiter und ausländische Kolleginnen und Kollegen. Betriebliche Bildungsplanung muß auch zum Ziel haben, einen Beitrag zur Verwirklichung der Gleichheit von Mann und Frau im Arbeitsleben zu leisten..."118 Dieses Ziel der Randgruppenförderung bringt dem $\gg$Durchschnittsmitglied$\ll$ naturgemäß keinen direkten Vorteil. Dennoch ist die Verfolgung dieses Ziels durchaus funktional für die Gewerkschaften. Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist die Vermittlung des Werts $\gg$Solidarität$\ll$ dem Bestand der Organisation förderlich. Es soll hier aber nicht unterstellt werden, daß die Bestandssicherung Intention der Randgruppenförderung ist, auch wenn die Randgruppensolidarität Organisations-stabilisierende Werte vermittelt. Neben der Pflege gewerkschaftlicher Tradition, sind zumindest teilweise politische Orientierungen für das explizite Verfolgen dieses Ziels zu vermuten : "Es ist bekannt, daß die derzeitige Bundesregierung keinen Handlungsbedarf sieht. Angesichts dieser Sachlage sind wir als Gewerkschaften gezwungen, eigene Überlegungen anzustellen..."119
Auch auf der Arbeitgeberseite, ist die Einstellung zur Teilnehmerzahl und Auswahl, nicht mit wenigen Worten darstellbar. Der Satz, der Arbeiter "wird ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird"120, wird in dieser Form nicht einmal mehr von überzeugten Marxisten vertreten. - Im Gegenteil ist eine enorme Zunahme der Qualifikationsnotwendigkeit zu konstatieren. Auch die vor einigen Jahren z.B. von Benjamin Coriat121 vertretene These der Polarisierung der Arbeiterschaft in gut ausgebildete Kernbelegschaften und schlecht qualifizierte und abgesicherte Randbelegschaften, scheint widerlegt. "Kern/Schuhmann(1984), die Anfang der siebziger Jahre die These von der Dequalifizierung der Facharbeit aufstellten, erwarten mittlerweile deren $\gg$Reetablierung$\ll$."122 "Berufliche Weiterbildung muß alle Arbeitnehmer einschließen"123 wird mittlerweile von Arbeitgeberseite gefordert. -Jedoch nicht ohne die Einschränkung "Die betriebliche Weiterbildung erfolgt bedarfsorientiert."124 Das schwerwiegendere Argument zur die Beschreibung der Arbeitgeberhaltung zum Kreis der $\gg$Bildungsbegünstigten$\ll$, ist die erwünschte Motivation der Aus- und Fortzubildenden. Diese Motivation glaubt man am besten am persönlichen Engagement des Einzelnen erkennen zu können. Die Arbeitgebervertreter sind der Auffassung, "Weiterbildung setzt Motivation voraus und müsse auf freiwilliger Initiative, nicht aber auf Grund eines Anspruchs auf ein bestimmtes Kontingent an Weiterbildungszeit für jeden einzelnen erfolgen."125 Neben diesem Motivationselektivem Kriterium, sollen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen "in erster Linie auf diejenigen Mitarbeiter gerichtet sein, die für die Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens entscheidend sind."126 In der Sicht der Arbeitgeber sind dies in erster Linie:


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Facharbeiter deren Erstausbildung mehr als neun Jahre zur\uml {u}ckliegt
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\begin{indenting}{1.27cm}
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Meister und Vorarbeiter, welche vor neuen Aufgaben stehen
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Ausbilder
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Daneben sollen auch un- und angelernte Arbeitnehmer qualifiziert werden, "Anpassungs-Weiterbildung kann auch $\gg$Höherqualifizierung$\ll$ sein."127



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Matthias Steppuhn 2003-07-05